Vor einiger Zeit habe ich meinem Laufkollegen Stefan Haselbach versprochen, ihn bei seinem Ziel erstmals einen Marathon unter 3h zu laufen zu unterstützen. Gemeinsam absolvierten der ambitionierte Familienvater und ich einige Trainingseinheiten und freuten uns auf den 9. April 2017. Ziel war es mit einer Pace von 4:10 auf den ersten dreissig Kilometern etwas Puffer auf die avisierte magische Limite zu erarbeiten.
Kürzlich wurde ich jedoch von meinem Verein, dem TV Schaan Leichtathletik, angefragt, ob ich am 8. April beim Bretschalauf teilnehmen könnte. Ein kurzes Rennen in Eschen über 7x 1’500 Meter im Zentrum des Städtchens. Da ich seit zwei Jahren sehr willkommen beim TV Schaan bin und bis anhin noch nicht viel zurückgegeben habe, entschloss ich mich zu einem ersten Stadt beim 58. Bretschalauf in Eschen. Ein strenges Wochenende stand mir somit bevor mit völlig neuen Herausforderungen.
Dass die Form stimmt, das wusste ich natürlich. Die letzten Trainingswochen waren vielversprechend und ich konnte Qualität wie Quantität und auch den Genuss hoch halten. Also stand einer Überprüfung vom aktuellen Leistungsvermögen und der Einhaltung meines Versprechens gegenüber Stefan nichts im Wege.
Bei herrlichstem Frühlings- ja fast Sommerwetter war um 12 Uhr am Samstag der Startschuss in Eschen angesetzt. Mit fünf Minuten Verspätung wurden wir Schlussendlich auch auf die Strecke gelassen. Sieben Mal galt es die sehr coupierte Strecke über gut 1.5 Kilometer in Angriff zu nehmen. Das Starterfeld war übersichtlich und wahrscheinlich wurde mir klar die Favoritenrolle zu Teil. Yves Hollenstein und Jörg Scherle waren wohl die härtesten Widersacher. Yves absolvierte jedoch ein “Einlaufen” über 18km zum Wettkampfort und nahm den Wettkampf als Integration in sein lange Trainingseinheit. Nichtsdestotrotz setzte er ein horrendes Starttempo um. Wie vom Affen gebissen schoss er den ersten Anstieg hoch, dass ich mit grossem Staunen eine Lücke aufreissen lassen musste. Nur Scherle war fähig ihm einigermassen zu folgen. Nach gut einem Kilometer Wettkampfdistanz fand ich jedoch meinen Rhythmus, oder meine beiden Kollegen wurden langsamer. So setzte ich mich langsam an die Spitze des Feldes und gab die Leaderposition auch nicht mehr her. Beim ersten Zieldurchlauf betrug mein Vorsprung circa fünf Sekunden, entschieden war als noch gar nichts. In der zweiten Runde mussten die Beiden aber dem Startfurioso Tribut zollen und verloren merklich Boden auf mich. Ich zog ziemlich konsequent und konstant eine 3:32er Pace trotz des anspruchsvollen Streckenprofils durch. Neben den zahlreichen Höhenmeter machten uns einige scharfe Kurven zu schaffen. Ich genoss das Rennen jedoch in vollen Zügen. Knackige 20 Grad Celsius, strahlblauer Himmer, ein frenetischer Speaker und doch einige Zuschauer motivierten mich ungemein, auch wenn ich nach der zweiten Runde ein einsames Rennen lief. Zwar verlor ich kurz etwas an Tempo in Runde drei und vier, konnte danach aber wieder beschleunigen und entschied das Rennen in 37.41 mit über zwei Minuten Vorsprung auf Scherle Jörg und über vier Minuten auf Hollenstein Yves für mich. Mein zweiter Sieg nach dem Melser Dorflauf vor einigen Jahren. Sicher war die Konkurrenz übersichtlich, trotzdem bin ich mit dem Rennverlauf und meiner Schlusszeit sehr zufrieden.
Danach stieg ich noch kurz auf den Ergometer um das angeäufte Laktat abzubauen. Danach war ein gutes Nachtessen, Selbstmassage, Wechseldusche und Schlaf angesagt um die nächste Herausforderung möglichst optimal in Angriff zu nehmen.
Bereits um 04:45 Uhr klingelte der Wecker. Nach einigen Dehn- und Stabilisationsübungen und einer kalten Dusche ging es um 06:15 Uhr auf den Zug Richtung Zürich. Die Beine fühlten sich erstaunlich gut an. Auch heute waren die Bedingungen wohl perfekt für einen gelungen Zürich Marathon in der Finanzmetropole.
Um kurz nach acht Uhr traf ich mich mit dem nervösen Stefan Haselbach bei der Kleiderabgabe. Der Mythenquai beim Startgelände war bereits von tausenden Sportlern und Zuschauern übersäht. Herrlichste Marathonstimmung! Wir reihten uns im Block 1 nach den Eliteläufern ein. Für mich ein ungewohntes Gefühl. Das erste Mal lief ich nicht für mich, sondern für jemanden. Ich war nicht die Hauptperson, sondern bot meine Hilfe und Erfahrung an. Dadurch war ich auch etwas unter Druck, freute mich jedoch auf einen genussvollen Lauf am Ufer des Zürichsees mit vielen bekannten Gesichtern auf der Strecke und hinter der Absperrung bei den Zuschauern. Meine Aufgabe war es die Pace konstant zu halten, Stefan zu motivieren, ihm die Getränke zu besorgen, Energygels und Koffeinshots zu reichen und ihn von der Belastung abzulenken. Dies gelang mir auf den ersten 25 Kilometern auch vorzüglich. Mit einer 4:09 Pace erreichten wir den Wendepunkt in Meilen, wo wir unter frenetischem Jubel in einem grösseren Läuferpulk den Rückweg in die City in Angriff nahmen. Natürlich war mir klar, dass nun der härtere Teil des Marathons kommen würde. Ich fühlte mich gut, das Tempo ist zwar ambitioniert, für mich aber weit unter dem normalen Wettkampftempo. Nur die Gesamtdistanz ist auch für mich schwierig einzuschätzen. Erfreut stellte ich immer wieder fest, dass Stefan zwar ruhig war, jedoch einen souveränen Eindruck hinterliess. Ich verpflegte ihn und reichte ihm kontinuierlich Wasser und Elektrolythe Getränke. Bei Kilometer 28 wurde er jedoch plötzlich langsamer. Abrupt verliessen wir den 4:10er Fahrplan und kämpften gegen die 4:30er Barriere. Ein Marathon ist lang, es kann viel passieren, eine Kunst ist es mit Tiefs umzugehen. Also hoffte ich, dass sich Stefan wieder fangen wird. Als er jedoch bei Kilometer 30 nach einer Salztablette fragte machte ich mir Sorgen. Er gestand mir, dass er seit Kurzem an Krämpfen leidet und dies erklärte natürlich auch den abrupten Tempoeinbruch. Nun stand ich vor der schwierigsten Aufgabe und versuchte ihn zu unterstützen, dass er den Lauftakt wieder findet. Dies gelang mir nicht. Immer herber wurden seine Atemzüge und ich sah im das Leiden ins Gesicht geschrieben. Er wollte das Rennen aufgeben, ich intervenierte. Nach gut 32 Kilometern liess er mich ziehen und stoppte. Ich nahm den letzten Streckenviertel somit alleine in Angriff und entschloss mich zu einem spontanen Tempolauf. Wollte ich doch testen, was meinen Beine nach 32 Kilometer und der Vorbelastung vom Samstag so hergeben. Als meine Suunto Pulsuhr unter meinem Salomon Rennoutfit eine 3:15er Pace anzeigte war ich erstaunt wie erfreut. Anscheinend war ich doch noch fähig schnell zu laufen. Ich hielt das Tempo konstant hoch, der Puls schoss in die Höhe, die Atmung wurde auch intensiver. Sicherlich machte mich der Trailbag mit Getränkebidons, Gels und Koffeinverpflegung auch nicht schneller, aber irgendwie kam ich in einen gewaltigen Lauf-Flow. Mit einer durchschnittlichen 3:30er Pace schoss ich dem Ziel entgegen. Natürlich überholte ich mit dieser Tempoforcierung Dutzende Athleten, die häufig geschockt und erstaunt mir nach schauten. Auch das Publikum hatte sichtlich Freude an meinem längeren Endspurt. Endlich bog ich in die Zürcher Bahnhofstrasse ein und befand mich auf den letzten drei Kilometern. Nun taten mir auch die Beine weh und ich litt unter dem zügigen Tempo. Nun war es eine Willenssache das Ziel möglichst schnell zu erreichen. Ich versuchte nochmals alles aus den Beinen heraus zu holen und in gut 2:51.30 erreichte ich das Zielband am See beim Mythenquai. Schlussendlich ein tolles langes Training mit einer Tempoforcierung gegen Ende. Schade, eigentlich hätte ich mir ein anderes Ende des Rennens gewünscht. Etwas langsamer, aber dafür mit Stefan an meiner Seite, der sein Ziel erreicht hätte! Freudig durfte ich aber immerhin konstatieren, dass er immerhin den Lauf beendet hat und somit kein DNF auf der Anzeige hat.
Für mich war es eine lehrreiche Aufgabe. Ich kann mir gute vorstellen dies häufiger zu machen in Zukunft. Neben einem spitzenmässigen Trainingseffekt konnte ich das Rennen auch von einer völlig neuen Seite beobachten, geniessen und erleben.
Homepage Bretschalauf
Homepage Zürich Marathon
Rangliste Bretschalauf (siehe oben auf Foto)
Rangliste Zürich Marathon
Strava Aufzeichnung Bretschalauf
Strava Aufzeichnung Zürich Marathon
Lieber Ralf, herzlichen Dank für deine perfekte Arbeit als Pacemaker. Ich habe sehr davon profitiert. Leider haben die Krämpfe mein Vorhaben im Sande verwehen lassen. Ich freue mich für dich, was du auf den letzten 10 km geleistet hast. Das ist Qualität! Chapeau.
Hey Ralf
Danke für die Pace und die Ablenkung für mich ….
Auf ein nächstes Mal.